22. Dezember 2015

Zurück in meiner Komfortzone: Vier Monate Stockholm

Fast jeder hat sicherlich schonmal eine dieser Grafiken gesehen, die im Internet kursieren: "Life begins at the end of your comfort zone". Und da scheint etwas dran zu sein! Mittlerweile bin ich seit vier Monaten in Stockholm und habe mir dort mein Leben aufgebaut. Doch ich weiß noch ganz genau, wie schwer mir die Entscheidung gefallen ist, ob ich den Studienplatz in Stockholm annehmen soll oder nicht. Und fragt mich bitte erst gar nicht, wie ich mich am 23. August gefühlt habe als ich am Flughafen Köln/Bonn ins Flugzeug steigen sollte. Ich war so nervös, wie vermutlich noch nie in meinem Leben. Am liebsten hätte ich die ganze Aktion abgeblasen und wäre gemütlich zurück nach Hause gefahren! Zwei Jahre in einem anderen Land leben und studieren, in dem ich noch nie war und dessen Sprache ich nicht mal richtig spreche? Wann bin ich denn auf diese Schnapsidee gekommen?!

Wie ihr sehen könnt, habe ich es dann aber doch durchgezogen. Gut, die Schnapsidee hat sich im Nachhinein dann auch eher als riesige Chance und geniale Erfahrung herausgestellt. Aber den ersten Schritt erstmal zu tun, kostet einen manchmal große Überwindung. Und auch jetzt bekomme ich oft von anderen Dinge wie "Voll mutig von dir! Ich würde mich sowas niemals trauen." oder "Du machst mich richtig neidisch, ich wünschte ich könnte sowas auch machen!" zu hören. Wenn ich dann daran denke, wie ich vorher selbst an mir gezweifelt habe, macht es mich schon etwas stolz, was ich erreicht habe.


Vier Monate in Stockholm: Ein erstes Fazit

Ich bereue es nicht im Geringsten, nach Schweden gezogen zu sein. Mein Studiengang gefällt mir richtig gut, meine Kommilitonen sind cool, die Stadt ist super, meine WG ist wirklich schön und ich habe tolle Leute kennengelernt. Bereits jetzt habe ich so viel erreicht, erlebt und über mich selbst gelernt. Ich fühle mich mittlerweile in Stockholm Zuhause.

Doch so toll das jetzt alles klingt: Einfach war es nicht. Weder den ersten Schritt zu wagen und nach Stockholm zu ziehen, noch die Zeit der Einfindung. Ich fand mich plötzlich in einem völlig fremden Land wieder und auch wenn sich Deutschland und Schweden nicht dramatisch unterscheiden, so ist es doch eine unbekannte Stadt und eine fremde Kultur. Es braucht Zeit, bis man die Menschen versteht, man findet sich erst nach und nach in der Stadt zurecht und der Weg zur Uni wird langsam zur Routine. Man wird sozusagen ins kalte Wasser geschmissen (beziehungsweise beschließt, selbst hineinzuspringen), man lässt sein gewohntes Umfeld zurück. Plötzlich ist man ein Ausländer, fremd im Land und muss sich an die ganzen Veränderungen bestmöglich anpassen.

Um sich in einer neuen Umgebung sicher zu fühlen, braucht man ein schönes Zuhause. Und das, hatte ich leider nicht. Auf den ersten Blick hatte ich es eigentlich ganz gut getroffen: Zimmer direkt im Zentrum, super Lage, wunderschöner Altbau, guter Preis. Der Haken: Unverschämte, respektlose, unsensible, psychopathische, 59-jährige Esoterik-Mitbewohnerin, die zeitgleich die Vermieterin war. Lasst euch sagen, es ist kein schönes Gefühl mit jemanden zusammenzuwohnen, der permanent versucht, euch ein schlechtes Gefühl zu geben, um ohne Rücksicht auf Verluste, seine eigenen Ziele zu verfolgen. Jemanden, der euch als schlechte Person hinstellt oder euch die Schuld für Dinge in die Schuhe schieben möchte, von denen ihr nicht mal etwas wusstet. Falls ihr euch schonmal mit dem Thema Psychopathie beschäftigt habt, werdet ihr vielleicht wissen, dass Diskussionen das Problem nicht lösen. Für einige Tage oder Wochen mag das in Ordnung sein. Aber irgendwann kam der Punkt, wo es mir einfach zu viel wurde. Ich konnte nicht mehr richtig schlafen und hatte abends keine Lust mehr nach Hause zu gehen. Gleichzeitig der Stress an der Uni und mit meinem Nebenjob. Und dann kamen irgendwann der Winter und die Dunkelheit. Zum Glück habe ich nach drei Monaten Suche endlich ein Zimmer in einer richtigen WG mit netten, gleichaltrigen Mitbewohnern gefunden, wo ich mich Zuhause fühlen kann.

Doch die letzten vier Monate waren trotzdem extrem kräftezehrend. Seit Donnerstag bin ich zurück in Deutschland und bleibe hier bis das neue Semester im Januar anfängt. Ich bin zurück in meiner Komfortzone. Stockholm war absolut großartig und doch bin ich gerade so froh wie noch nie, wieder Zuhause zu sein. Die letzten Nächte waren die ersten, die ich seit Wochen wieder durchgeschlafen habe. Und ich genieße es einfach, dass ich weiß und verstehe, wie die Menschen um mich herum ticken. Dass es erst um 17 Uhr dunkel wird, statt um 15 Uhr. Dass ich allein in der Wohnung sein kann, ohne mir um psychopathische Hippie-Omas Gedanken zu machen. Ich kann endlich mal durchatmen und neue Energie tanken. Gerade liebe ich meine Komfortzone.


Was ist die "Komfortzone"? 

Unsere Komfortzone ist unsere Wohlfühlzone. Ein Ort oder der Teil von unserem Leben, in dem wir uns entspannt und sicher fühlen. Das heißt unser alltägliches Leben mit seinen vertrauten Gewohnheiten, Ritualen und Routinen. In unserer Komfortzone haben wir es bequem und wir arrangieren uns mit ihren Umständen (selbst, wenn wir vielleicht gar nicht damit glücklich sind).

Doch manchmal kommen wir an einen Punkt in unserem Leben an, wo wir vor einer Herausforderung stehen. Diese Grenze zu überschreiten, macht uns Angst, es lässt uns zweifeln und unsicher werden. Es kostet uns Überwindung und Anstrengung - es ist definitiv nicht mehr bequem. An diesem Punkt verlassen wir unsere Komfortzone und betreten die Lernzone. Gehen wir noch einen Schritt weiter und die Unbequemlichkeit wird unerträglich, haben wir bereits die Panikzone erreicht.

Aus Bequemlichkeit bleiben viele Menschen möglichst innerhalb ihrer Komfortzone. Die Angst vor dem Unbekannten ist tief in uns verwurzelt, doch unsere Komfortzone ist zur selben Zeit auch wie ein Käfig aus unseren Gewohnheiten, der uns in unserem Leben beschränkt. Doch das Überschreiten unserer Grenzen und das Verlassen unserer Komfortzone sollte ein Bestandteil unseres Lebens sein. Deine Komfortzone ist sozusagen dein Ausgangspunkt, dein sicherer Ort an dem du nicht bleiben solltest, sondern zu dem du immer wieder zurückkehren kannst - nach jedem anstrengenden Abenteuer, das du draußen in der Wildnis des Lebens erlebt hast. 

Warum sollte man seine Komfortzone verlassen?

Die Überwindung, seine Komfortzone zu verlassen, kann manchmal ganz schön groß sein. Doch so angsteinflößend diese Herausforderung zunächst erscheinen mag, umso schöner ist dafür das, was wir dafür bekommen:
  • persönliche Weiterentwicklung
  • Ängste überwinden lernen
  • Selbstverwirklichung 
  • neue Dinge lernen
  • sich selbst besser kennenlernen
  • seinen Horizont erweitern und Neues entdecken
  • stolz auf das sein, was man erreicht hat
  • Ziele erreichen und Träume verwirklichen
  • zufriedener mit sich sein
Wann sollte man in seine Komfortzone zurückkehren? 

Ich bin ganz ehrlich: Ich bin manchmal ein ganz schöner Angsthase. Und doch zwinge ich mich immer wieder dazu, meine Grenzen mal zu überschreiten. Weil ich weiß, dass es mir gut tut und ich an der Herausforderung wachse. Doch ebenso, sollte man einsehen, wann man beginnt, in die Panikzone überzutreten. Und das war bei mir während der letzten Wochen in Stockholm einfach der Fall. Zu viel Stress, zu viel Arbeit, zu viel Psychoterror, zu wenig Ruhe, zu wenig Licht und zu wenig Zeit für mich. Die Lernzone war voll ausgereizt, meine Energie aufgebraucht und ich war völlig überfordert. Manchmal wird es einfach Zeit, in die Komfortzone zurückzukehren, um sich wieder sicher zu fühlen und seine Batterien aufzuladen. Brecht aus eurer Komfortzone aus, aber Schritt für Schritt. Überfordert euch nicht, hört auf euren Körper! Und so geht es für mich dann im Januar hoffentlich auch wieder voller neuer Energie zurück nach Stockholm. Ich halte euch auf dem Laufenden :)
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10. Dezember 2015

Typisch Schwedisch: 5 Dinge, die meinen Alltag verändert haben

Lange habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Aber ich wurde einfach von zu viel Swedishness überrumpelt! Der Umzug in ein neues Land bringt einfach immer so viele neue Erfahrungen und Herausforderungen mit sich, dass es erstmal dauert bis so langsam der Alltag wieder einkehrt. Jetzt lebe ich schon seit dreieinhalb Monaten hier und mir sind bereits die ersten Unterschiede zu Deutschland aufgefallen. Und da diese Zeit, in der man die Unterschiede erst noch entdeckt und deutlich wahrnimmt, eine der spannendsten ist, möchte ich euch natürlich daran teilhaben lassen. Es wird Zeit für eine Ladung Schweden!

Rotes Holzhaus in Schweden

1) Pünktlich sein
Man könnte meinen, dass die Schweden sich gar nicht so sehr von uns unterscheiden. Denn eine ihrer größten Tugenden ist definitiv die Pünktlichkeit. Doch während an meiner Uni in Deutschland die Kurse alle erst um 'viertel nach' angefangen haben und auch danach immernoch munter weitere Studenten im Vorlesungssaal aufschlugen, so weht an der Uni Stockholm ein anderer Wind. Mittlerweile überrascht es mich schon gar nicht mehr, wenn ich völlig abgehetzt um 09:57 ankomme und mein Kurs trotzdem schon angefangen hat - inklusive fast aller Teilnehmer. Für notorische Zuspätkommer wie mich ein absolutes Desaster! Immerhin ist es schon etwas peinlich, wenn man jedes Mal gefühlt als Letzter auftaucht (da alle anderen natürlich schon um 09:45 da waren) und die Vorlesung um 10:05 schon in vollem Gange ist. Als einzige Konsequenz, um den Ruf der Deutschen zu wahren, bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich ein wenig früher auf den Weg zu machen. Für schwedische Verhältnisse bin ich wohl immernoch zu spät, aber zumindest weniger zu spät als sonst. Vielleicht färbt die Pünktlichkeit mit der Zeit ja noch auf mich ab...

2) Nach der Sommerfigur ist vor der Sommerfigur!
Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich sie jeden Tag vorbeilaufen, an der Kasse im Supermarkt stehen sie mit ihrem Fitnessdrink hinter mir an und in der U-Bahn schlängeln sie sich mit ihren Sporttaschen an mir vorbei: Jogger, Skater, Faharradfahrer oder was auch immer. Hauptsache Sport! Die Motivation in Person? - Die Schweden. Egal ob Regen, Kälte oder Dunkelheit, nichts scheint dieses Volk, von ihrer täglichen Portion Sport abzuhalten. Während ich es mir bei schlechtem Wetter drinnen mit einer Tasse Tee gemütlich mache oder sonntags in Ruhe zum Supermarkt spaziere, joggen übermotivierte Schweden in hautengen Leggings und bunten Laufschuhen an mir vorbei durch das nasse Laub. Selbst die Mittagspause ist den Schweden nicht heilig. Warum essen und entspannen, wenn man stattdessen das Fitnessstudio stürmen kann, um ein kurzes Power-Workout einzulegen? Die Motivation ist tatsächlich etwas ansteckend - auch wenn ich niemals meine Mittagspause opfern würde. Aber kann man es den Schweden verübeln, wenn es ohnehin ständig dunkel ist?

T-bana U-Bahn Station in Stockholm, Schweden

3) Ich kann dich nicht sehen, ich höre gerade Musik.
Vorsicht, Smartphone-Junkie im Anmarsch! Eine der liebsten Beschäftigungen der Schweden ist es, auf ihr Smartphone zu starren. Mach dich also darauf gefasst, ihnen auf der Straße auszuweichen, wenn sie dir ohne aufzuschauen, entgegenkommen. Und versuch gar nicht erst, in der U-Bahn mit irgendjemandem ein Gespräch anzufangen. Wenn die Schweden gerade nicht auf ihrem Smartphone herumtippen, hören sie entweder Musik über ihre großen, bunten Urbanears-Kopfhörer oder quasseln über ihr Headset irgendjemanden voll. Langsam mutiere ich selbst schon zu einem Kopfhörer-Smartphone-Zombie. Wie gut, dass ich (noch) kein Headset besitze.

4) Vill du fika?
Zeit für eine Kaffeepause! Und dabei trinke ich nicht mal Kaffee. Doch für Kaffeliebhaber ist Schweden ein wahres Paradies, denn hier ist die sogenannte "Fika" quasi ein Grundrecht. Die Vorlesung ist gerade mal eine halbe Stunde in Gange und unser Dozent fragt, wie es für uns läuft und ob wir bald eine Pause brauchen. Kurze Zeit später gibt es also eine 20-minütige Fika, in der die Schweden losstürmen, um sich Kaffee zu kaufen. Die Fika gehört hier zum Alltag genauso dazu, wie für uns die Mittagspause. Und sie ist viel mehr als eine reine Pause, denn wer nicht zusammen mit den anderen Unmengen Kaffe oder Tee in sich hineinkippt und dabei Zimtschnecken verdrückt, der wird schnell als "unsozial" abgestempelt. Aber ganz ehrlich: Gibt es einen besseren Weg, um seine Kommilitonen oder Arbeitskollegen kennenzulernen als bei einer kleinen Kaffepause?

Skogskyrkogården bei Sonnenuntergang

5) Du-weißt-schon-was... ähh Winter.
Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie lange die vierte Jahreszeit noch anhält. Ein Blick aus dem Fenster, offenbart einen tristen, weißen Himmel und ab 15 Uhr wird es auch schon wieder dunkel. Die Straßen sind bedeckt mit matschigem Laub oder Schnee, ein eisiger Wind pfeift durch die Straßen. Der Winter scheint das Gesprächsthema Nr. 1 zu sein, Klagen über den fehlenden Sonnenschein und die Müdigkeit stimmen einen bereits auf die schlimmste Winterdepression seines Lebens ein. Der Markt für Vitamin D-Tabletten, Tageslichtlampen, wollene Unterwäsche und Fitnessstudio-Mitgliedschaften boomt und am liebsten möchte man sich einfach bis März in seinem Bett verkriechen und den ganzen Abend lang Tee trinken und Serien schauen. Also nehmt euch in Acht, winter is coming...
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