Lange habe ich nichts mehr von mir hören lassen. Aber ich wurde einfach von zu viel Swedishness überrumpelt! Der Umzug in ein neues Land bringt einfach immer so viele neue Erfahrungen und Herausforderungen mit sich, dass es erstmal dauert bis so langsam der Alltag wieder einkehrt. Jetzt lebe ich schon seit dreieinhalb Monaten hier und mir sind bereits die ersten Unterschiede zu Deutschland aufgefallen. Und da diese Zeit, in der man die Unterschiede erst noch entdeckt und deutlich wahrnimmt, eine der spannendsten ist, möchte ich euch natürlich daran teilhaben lassen. Es wird Zeit für eine Ladung Schweden!
1) Pünktlich sein
Man könnte meinen, dass die Schweden sich gar nicht so sehr von uns unterscheiden. Denn eine ihrer größten Tugenden ist definitiv die Pünktlichkeit. Doch während an meiner Uni in Deutschland die Kurse alle erst um 'viertel nach' angefangen haben und auch danach immernoch munter weitere Studenten im Vorlesungssaal aufschlugen, so weht an der Uni Stockholm ein anderer Wind. Mittlerweile überrascht es mich schon gar nicht mehr, wenn ich völlig abgehetzt um 09:57 ankomme und mein Kurs trotzdem schon angefangen hat - inklusive fast aller Teilnehmer. Für notorische Zuspätkommer wie mich ein absolutes Desaster! Immerhin ist es schon etwas peinlich, wenn man jedes Mal gefühlt als Letzter auftaucht (da alle anderen natürlich schon um 09:45 da waren) und die Vorlesung um 10:05 schon in vollem Gange ist. Als einzige Konsequenz, um den Ruf der Deutschen zu wahren, bleibt mir also nichts anderes übrig, als mich ein wenig früher auf den Weg zu machen. Für schwedische Verhältnisse bin ich wohl immernoch zu spät, aber zumindest weniger zu spät als sonst. Vielleicht färbt die Pünktlichkeit mit der Zeit ja noch auf mich ab...
2) Nach der Sommerfigur ist vor der Sommerfigur!
Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich sie jeden Tag vorbeilaufen, an der Kasse im Supermarkt stehen sie mit ihrem Fitnessdrink hinter mir an und in der U-Bahn schlängeln sie sich mit ihren Sporttaschen an mir vorbei: Jogger, Skater, Faharradfahrer oder was auch immer. Hauptsache Sport! Die Motivation in Person? - Die Schweden. Egal ob Regen, Kälte oder Dunkelheit, nichts scheint dieses Volk, von ihrer täglichen Portion Sport abzuhalten. Während ich es mir bei schlechtem Wetter drinnen mit einer Tasse Tee gemütlich mache oder sonntags in Ruhe zum Supermarkt spaziere, joggen übermotivierte Schweden in hautengen Leggings und bunten Laufschuhen an mir vorbei durch das nasse Laub. Selbst die Mittagspause ist den Schweden nicht heilig. Warum essen und entspannen, wenn man stattdessen das Fitnessstudio stürmen kann, um ein kurzes Power-Workout einzulegen? Die Motivation ist tatsächlich etwas ansteckend - auch wenn ich niemals meine Mittagspause opfern würde. Aber kann man es den Schweden verübeln, wenn es ohnehin ständig dunkel ist?
3) Ich kann dich nicht sehen, ich höre gerade Musik.
Vorsicht, Smartphone-Junkie im Anmarsch! Eine der liebsten Beschäftigungen der Schweden ist es, auf ihr Smartphone zu starren. Mach dich also darauf gefasst, ihnen auf der Straße auszuweichen, wenn sie dir ohne aufzuschauen, entgegenkommen. Und versuch gar nicht erst, in der U-Bahn mit irgendjemandem ein Gespräch anzufangen. Wenn die Schweden gerade nicht auf ihrem Smartphone herumtippen, hören sie entweder Musik über ihre großen, bunten Urbanears-Kopfhörer oder quasseln über ihr Headset irgendjemanden voll. Langsam mutiere ich selbst schon zu einem Kopfhörer-Smartphone-Zombie. Wie gut, dass ich (noch) kein Headset besitze.
4) Vill du fika?
Zeit für eine Kaffeepause! Und dabei trinke ich nicht mal Kaffee. Doch für Kaffeliebhaber ist Schweden ein wahres Paradies, denn hier ist die sogenannte "Fika" quasi ein Grundrecht. Die Vorlesung ist gerade mal eine halbe Stunde in Gange und unser Dozent fragt, wie es für uns läuft und ob wir bald eine Pause brauchen. Kurze Zeit später gibt es also eine 20-minütige Fika, in der die Schweden losstürmen, um sich Kaffee zu kaufen. Die Fika gehört hier zum Alltag genauso dazu, wie für uns die Mittagspause. Und sie ist viel mehr als eine reine Pause, denn wer nicht zusammen mit den anderen Unmengen Kaffe oder Tee in sich hineinkippt und dabei Zimtschnecken verdrückt, der wird schnell als "unsozial" abgestempelt. Aber ganz ehrlich: Gibt es einen besseren Weg, um seine Kommilitonen oder Arbeitskollegen kennenzulernen als bei einer kleinen Kaffepause?
5) Du-weißt-schon-was... ähh Winter.
Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie lange die vierte Jahreszeit noch anhält. Ein Blick aus dem Fenster, offenbart einen tristen, weißen Himmel und ab 15 Uhr wird es auch schon wieder dunkel. Die Straßen sind bedeckt mit matschigem Laub oder Schnee, ein eisiger Wind pfeift durch die Straßen. Der Winter scheint das Gesprächsthema Nr. 1 zu sein, Klagen über den fehlenden Sonnenschein und die Müdigkeit stimmen einen bereits auf die schlimmste Winterdepression seines Lebens ein. Der Markt für Vitamin D-Tabletten, Tageslichtlampen, wollene Unterwäsche und Fitnessstudio-Mitgliedschaften boomt und am liebsten möchte man sich einfach bis März in seinem Bett verkriechen und den ganzen Abend lang Tee trinken und Serien schauen. Also nehmt euch in Acht, winter is coming...
10. Dezember 2015
Typisch Schwedisch: 5 Dinge, die meinen Alltag verändert haben
Verfasst von
Sóley
| In:
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Stockholm
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Hey,
AntwortenLöschendas hört sich ja echt interessant an, auch wenn ich nicht gedacht hätte, dass die Schweden noch schlimmer in Punkto Pünktlichkeit sein würden als wir.
Leider ist so ein langer Winter auch echt überhaupt nichts für mich weswegen ich einen Besuch im Sommer definitiv vorziehen würde - aber die Landschaft ist wunderschön, ganzjährig!
Hab eine schöne Zeit.
Nicht viel wärmere Grüße aus Deutschland
Sabrina
Was für ein schöner Post, gern würde ich noch viel mehr über deine Auswanderung wissen. :) Mir gefällt dein Post jedenfalls richtig gut und deine Bilder sind toll. ♥
AntwortenLöschenliebst Elisabeth-Amalie
Danke! :) Es wird auf jeden Fall noch mehr Berichte dieser Art geben. Habe mir überlegt da eine Reihe draus zu machen und hin und wieder von typisch schwedischen Dingen zu berichten :D
LöschenDas ist ja voll spannend. Ich wusste garnicht, dass die Schweden so pünktlich sind. Und das mit dem Winter ist ja echt krass. Da dreht man doch förmlich durch oder :D
AntwortenLöschenLieben Gruß,
Sabrina
Sehr schöner Post! :) Ich bin auch so ein notorischer Zuspätkommer und müsste mich erstmal an die Pünktlichkeit gewöhnen! Das mit dem Kaffee kommt mir allerdings entgegen, haha, seitdem ich im Büro arbeite geht absolut nichts ohne Kaffee und vor allem den "ritualisierten Team-Gang" zur Kaffeemaschine :D
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
Eleonora
eleonorasblog.com
Irgendwo hatte ich zuletzt noch gelesen, dass die Schweden im weltweiten Vergleich am meisten Kaffee pro Kopf trinken. Jetzt weiß ich ja, warum :D
AntwortenLöschenRichtig spannend! Und schön, dass du dich mit den kleinen Eigenarten anfreunden und sie in deinen Alltag integrieren kannst :)
Hej
AntwortenLöschenDas lässt alte Erinnerungen wach werden. Ich habe 2010 in Stockholm studiert, auch im Wintersemester. Irgendwie fand ich die Dunkelheit und die Kälte gar nicht so schlimm. Die Sportbegeisterung fand ich auch irritierend und ansteckend zu gleich. Was ich wirklich vermisse ist fika. Und die Frage, ob man den Himbeerkuchen warm und mit Vanillesoße will, ja bitte!
Liebe Grüße
Nina