30. Oktober 2013

Geistergeschichten aus Island {Halloween Special}

Ein abgelegener Fjord, umrahmt von schroffen Bergen und ein ehemaliges Internat irgendwo im Nirgendwo von Island. Bevor ich für vier Monate nach Reykjavík fuhr, um dort mein Auslandssemester zu verbringen, hatte ich die Möglichkeit einen dreiwöchigen Isländisch-Intensivkurs im winzigen Ort Núpur, in den Westfjorden Islands, zu absolvieren.


Bereits die Region der Westfjorde gehört zu den abgeschiedensten Orten in Island, da sie nur über steile, kurvige Straßen abseits der Ringstraße zu erreichen ist. Mit nur etwas mehr als 7000 Einwohnern ist die Halbinsel außerdem sehr dünn besiedelt. Etwa eine halbe Stunde entfernt von Núpur liegt der etwas größere Ort Ísafjörður. Núpur selbst jedoch liegt einsam zwischen steilen Berghängen eingeschlossen. Neben einigen weit verstreuten Farmen besteht Núpur selbst bloß aus einem ehemaligen Internat, das heutzutage als Hotel genutzt wird, sowie einer kleinen Kirche. Nicht mal einen Supermarkt gibt es dort, die Zivilisation erscheint unglaublich weit entfernt. Doch zusammen mit den anderen Kursteilnehmern, war es wirklich eine unglaublich spannende Zeit, die ich in Núpur verbringen durfte. Zusammen lernten wir die isländische Kultur und Sprache kennen und entdeckten die wunderschöne Landschaft der Westfjorde. Wie im damaligen Internat teilten wir uns jeweils zu zweit ein kleines Doppelzimmer.


Doch der Grund wieso ich euch heute über Núpur berichte ist eigentlich ein anderer: Denn es geht um das Thema Geistergeschichten. In Deutschland habe ich schon häufig von dem Vorurteil gehört, dass Isländer angeblich an Feen und Gespenster glauben sollen. Die Antwort, ob das tatsächlich stimmt, lässt sich jedoch nicht so einfach geben. Generell würde ich sagen, dass ein Großteil der Isländer nicht daran glaubt, allerdings gibt es in Island sicherlich mehr Menschen als in Deutschland, die an Geister glauben. Schwierig ist es auch immer einzuschätzen, ob ein Isländer eine Geistergeschichte nur erzählt, um das typische Bild aufrechtzuerhalten, was wir von ihnen haben. In Island habe ich auf jeden Fall mehr Geistergeschichten gehört, als in meinem ganzen Leben zuvor.


Einige davon erzählte uns eines abends Siggi, einer der Hotelinhaber. Bevor ihr jetzt verständnislos den Kopf schüttelt, solltet ihr euch jedoch über die Situation in Núpur bewusst sein. Es handelt sich nicht nur um ein altes, abgeschiedenes Internat, sondern im Winter wird es hier auch drei Monate lang nicht wirklich hell. Da fällt es einem doch auch direkt viel leichter an Geister zu glauben oder nicht?


Fast alle von uns hatten sich im großen Speisesaal eingefunden, um Siggis Geistergeschichten zu lauschen. Siggi begann zu erzählen: "Früher gab es in Núpur einen Jahrgang aus dem ein Schüler offensichtlich nicht besonders glücklich war. Sein Name war Númi. Eines morgens fand man ihn in der Turnhalle - er hatte sich erhängt." Siggi legte eine Pause ein und sah in die Runde bevor er weitersprach: "Zwar ging das Leben in Núpur weiter seinen Lauf, doch eines Tages ereignete sich etwas Seltsames. Zwei Jungen machten ein Foto von sich, wie sie vor der Schule standen. Doch als sie später die entwickelten Fotos abholten, erschraken sie sehr. Denn auf dem Foto waren nicht nur sie zu sehen, sondern direkt hinter ihnen stand Númi.", dabei riss Siggi die Augen auf und blickte uns mit räselhaftem Gesichtsausdruck an. "Seitdem spukt Númi angeblich in Núpur umher. Es ist schon öfter passiert, dass Hotelgäste morgens zu mir kamen, da sie plötzlich seltsame Kratzer im Gesicht hatten...", sagte Siggi mit gesenkter Stimme. "Ich übernehme also keine Garantie für eure Sicherheit, das Geld für die Zimmer gibt es nicht zurück."

Nach einer kurzen Pause fuhr Siggi fort: "Ganz in der Nähe der Schule gibt es eine alte, unbewohnte Scheune. Im Winter fahre ich oft daran vorbei. Bereits einige Male waren die Fenster der Scheune erleuchtet - und das obwohl sie verlassen ist." Bedeutungsvoll hob Siggi die Augenbrauen. "Ein anderes Mal war ich alleine im Hotel unterwegs und sah von draußen, wie das Licht in der Küche eingeschaltet wurde. Doch außer mir war niemand da, um es einzuschalten...".


Siggi blickte erneut in unsere ungläubigen Gesichter. "Wenn der Winter in Núpur vorbei ist und es langsam wieder hell wird, öffne ich die Türen aller Hotelzimmer, damit frische Luft durch die Zimmer und Gänge wehen kann. Eines Nachmittags lief ich durch die Gänge, vorbei an den offenen Zimmern. Im Vorbeigehen warf ich einen Kontrollblick in jedes Zimmer.", Siggi wandte demonstrativ seinen Kopf zur Seite. "Doch plötzlich erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Im Vorbeigehen sah ich in einem der Zimmer jemanden stehen." Siggi blickte uns aus unergründlichen Augen an. "Da zu dieser Zeit noch keine Gäste im Hotel sind und in Islands Einöde niemand in ein Hotel einbrechen würde, war ich verwundert. Doch da ich routiniert durch den Gang gelaufen war, immer dieselbe Bewegung ausführend, hielt ich erst einige Schritte später inne, als mir klar wurde, was ich da gesehen hatte." Siggi drehte sich auf dem Absatz um. "Ich wandte mich also um und ging langsam zurück zum Zimmer. Ich wunderte mich, wer sich zu dieser Jahreszeit hierher verlaufen hatte. 'Hallo? Wer ist da?', rief ich. Ich trat in den Eingang des Zimmers, doch das Zimmer war... vollkommen leer."


Und mit dieser Geschichte verabschiede ich mich für heute von euch. Natürlich ist es jedem selbst überlassen, ob er solchen Erzählungen Glauben schenkt oder nicht. Ich kann generell von mir sagen, dass ich an so etwas wie Geister nicht glaube und auch Siggis Geschichten nicht allzu ernst genommen habe. Bis zu dem Tag, an dem ich selbst ein wirklich unheimliches Erlebnis in Núpur hatte. Aber davon hört ihr beim nächsten Mal mehr...

9 Kommentare:

  1. eine interessante Geschichte und wie immer wundervolle Bilder!
    ich freue mich schon auf deine eigene Geschichte :)
    liebe Grüße Sandi

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  2. Total schöne Fotos :) und eine tolle isländische Geschichte :)

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  3. Ohhh...die Bilder sind ja wirklich traumhaft. Wär für mich genau das Richtige, um abzuschalten und neue Kraft zu tanken ... Wenn der Ort auch ein wenig gespenstig aussieht. Ich bin gespannt auf dein unheimliches Erlebnis. ;-)

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  4. Das ist aber wirklich gruselig :)

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  5. Tolle Fotos sogar mit den Wolken :) Die sind mir immer ein Graus.
    PS: Habe meinen Blognamen geändert!

    Suze

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  6. Großartige Halloween-Geschichte, und toll, was Du alles erlebst. Und Deine Bilder sind wie immer sehr zauberhaft, ich finde vor allem das Vierte umwerfend!
    Liebe Hallowgrüße
    /inka

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  7. Hach das ist ja cool, dass euer Hotelinhaber euch ein bisschen Angst eingejagt hat. Ich sehe das wie du, ich denke schon, dass es Dinge gibt, die man nicht so wirklich erklären kann, aber ob das dann mit sowas zusammen hängt?;)

    Aber anbei bemerkt sind die Fotos so wunderschön! Ich sehne mich echt dahin, wenn ich die so anseh... Und ja, Musik bei dir find ich immer cool, also los ;)

    Liebe Grüsse, Anna

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  8. Uhhh, ganz schön schaurig. =) Nun bin ich auf dein Erlebnis gespannt. =)

    hier geht’s zu meinem Blog ♥

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  9. Hallo,
    nette Geschichten, aber auch wenn ich Herrn Siggi nichts nachsagen möchte, glaube ich doch das ich da ein gewisses geschäftliches interesse spüren kann :-), aber egal, ich mag Geistergeschichten einfach.

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